Konflikte lösen

Wieso hauen Kinder?

Mein Kind haut mich

Früher habe ich es sehr persönlich genommen, wenn mich mein Herzensglückskind in seiner Wut gehauen hat. Ich war zutiefst verletzt und hab meine ganze Energie darauf verwendet, um ihm klar zu machen, dass er mich nicht schlagen soll.

Es gibt viele Möglichkeiten warum Kinder hauen, ein paar davon stelle ich euch hier vor:

Hauen innerhalb eines Wutausbruchs

Was hat mich dahin geführt, dass ich sein Hauen nun O.K. finde und ich sogar Verständnis dafür aufbringe?

Ich habe mich erst mal mit Sozialpsychologie und Entwicklungspsychologie beschäftigt. Ich möchte euch hier einige Fakten näher bringen, wie unsere Kleinkinder denken:

Ich hasse Mama – Ich liebe Mama

Erst ab dem 10. Lebensjahr können Kinder zwei gegensätzliche Gefühle, in einer Situation gleichzeitig haben. (Harter und Buddin, 1987) Also die Wut auf mich, weil ich ihm zum Beispiel das teure Auto nicht kaufen will und die Liebe zu mir, bzw. dass er mir nicht weh tun will. Ihr kennt es bestimmt von euren Kindern, sie zerplatzen fast vor Liebe für euch, bis ihr zu einem ihrer dringenden Wünsche „Nein“ sagt.

Empathie

Bis ca. 2 Jahren können Kinder zwischen sich und anderen Menschen nicht unterscheiden. Sie und alle anderen Menschen sind für sie eins. Wenn Kinder Schmerzen haben, gehen sie davon aus, dass alle Menschen diese Schmerzen haben. Wenn ihnen nichts weh tut, dann tut auch den anderen nichts weh.

Unsere Kinder wissen also noch nicht wirklich, dass es uns weh tut, wenn sie uns hauen. Um dies zu erkennen, muss sich das Kind in uns einfühlen können. Sie müssen sich vorstellen können, dass es uns weh tun, obwohl ihm ja nichts weh tut.

Im Alter zwischen 3 und 5 Jahren entwickeln unsere Kinder langsam die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Das Kleinkind erkennt nun, dass andere Perspektiven (Gedanken und Gefühle) existieren. Ein Kind ist deswegen aber nicht von einem auf den anderen Tag plötzlich empathisch und kann sich jetzt in jeden einfühlen.

Es ist ein langer Prozess, bis die volle Bandbreite der Perspektivenübernahme erreicht ist! Laut  Robert L. Selman (ein amerikanischer Psychologe) dauert es bis zum 15 Lebensjahr. Er geht sogar davon aus, dass Kinder eine andere Perspektive frühestens mit 5 Jahren übernehmen können.  Vorlesung „Stufenmodel von Robert Selman“

Im  wunderschönen Blog „Das gewünschteste  Wunschkind aller Zeiten“ könnt ihr eine weitere Theorie nachlesen. http://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2013/03/empathie-wann-und-wie-erwerben-unsere.html

WUT IST GUT!

Es ist vollkommen normal, wenn wütende Kinder hauen. Es passiert deshalb, weil das Kind nicht mehr weiß, wie es seine heftigen Wutgefühle (Aggressionen) regulieren soll. Das Kind wird von seinen Gefühlen regelrecht überschwemmt. Es ist so verärgert und frustriert über etwas, dass es diese Belastung nicht mehr aushalten kann.

Sie können ihre Gefühle noch nicht sprachlich ausdrücken. Kinder können nicht sagen: „Ich könnte gerade die Wände hochgehen! So rasend macht mich diese unerträgliche Situation gerade!“

Sie drücken ihre Wut so lange körperlich aus, bis sie die Wut auf die sprachliche Ebene hochheben können. Es ist einer von vielen Entwicklungsschritten. Die Aggression selbst, ist an und für sich ein wichtiges Gefühl. Ohne sie könnten wir uns nicht verteidigen, keine Ziele verfolgen, usw.

Gefühle regulieren

Kleinkinder müssen erst lernen ihre Gefühle zu regulieren. Die Wut überschwemmt sie wie ein Tsunami, sie sind ihren Gefühlen komplett ausgeliefert. In diesem Moment können sie nicht mehr denken. Ja, auch wir Erwachsenen sagen in unserer Wut Dinge, die uns anschließend leid tun.

Hier könnt ihr nachlesen was im kindlichem Gehirn vorgeht: Was geht wirklich in unseren Kleinkindern vor? – Das kindliche Gehirn

Ich will, dass du fühlst was ich fühle

Selbst wenn mein Kind sagt, dass es mir weh tun möchte, steckt dahinter nur ein Entwicklungsschritt. Das Kind möchte unbewusst seine eigenen Gefühle im anderen hervorrufen. Das ist eigentlich sehr schlau von unseren Kindern, denn sie können ihre Gefühle ja noch nicht sprachlich ausdrücken.

Wenn wir aufhören es persönlich zunehmen, können wir nachschauen welche Gefühle das Handeln des Kindes in uns hervorruft. Wir fühlen nun dasselbe, wie unser Kind. Wenn mein Kind mich extra hauen will, fühle ich mich zum Beispiel hilflos, oder verletzt, oder wütend. In vielen Fällen ist es dasselbe Gefühl, welches das Kind beim vorhergegangenen Konflikt hatte.

Was kann ich für mein Kind tun?

Mein Job ist jetzt, da zu sein und mein Kind und mich vor Verletzungen zu schützen. Ich kann schon im Vorfeld Möglichkeiten anbieten um die Wut rauszulassen, zum Beispiel Dinge (die nicht kaputt werden) werfen, oder „Wutschieben“ (wir sitzen am Boden, er schiebt mich mit aller Kraft und irgendwann lasse ich mich umfallen), oder auf ein Kissen schlagen, usw.

Wir haben gemeinsam viele Menschen gefragt, wie diese mit ihrer Wut umgehen. Die Oma, den Opa, die Tante, den Onkel, …  Alle Möglichkeiten die meinem Sohn gefallen haben, haben wir ausprobiert.

Gefühle spiegeln

Man kann versuchen, diese Wut zu spiegeln. „Du willst dieses Auto, du bist wütend, weil du es nicht bekommst.“ Es sollten nur kurze Sätze sein, denn Kinder sind jetzt nicht wirklich aufnahmefähig. Ich habe hiermit keine Erfahrung, da mir mein Sohn mal gesagt hat, dass ich lieber nichts sagen soll, wenn er einen Wutausbruch hat. 🙂

Nach dem Wutanfall

Ich bin einfach nur da für mein Kind, ich umarme meinen Sohn wenn er dies möchte. Ich mache ihm keine Vorwürfe, oder schimpfe gar mit ihm. Mein Kind ist jetzt fix und fertig, alles was er braucht ist Ruhe und viel Liebe.

Ich finde es jedoch wichtig, nach dem Wutanfall nochmal mit dem Kind zu sprechen. Denn wenn das Kind durch Gespräche zur Selbstreflexion angeregt wird, kann es sich irgendwann selbst besser verstehen. Das wiederum führt (wenn das Kind entwicklungsbedingt dazu bereit ist) unter anderem zu einem Ende der Hau-Phase.

Ich verzichte auf das Wort „WARUM“

Ein „Warum?“ fragt nach den Ursachen, fragt nach der Vergangenheit. Wir können auf die Antwort einer Warum-Frage sofort die nächste Warum-Frage stellen. „Warum hast Du nicht besser aufgepasst?“, „Warum konnte das nur passieren?“ usw. Und wir fragen im Allgemeinen solange nach dem Warum, bis wir einen Schuldigen gefunden haben. Wir interessieren uns so nicht wirklich für die innere Welt des Kindes.

„Wozu?“ allerdings fragt nach der Zielgerichtetheit, fragt nach der Absicht. Auf Antworten von Wozu-Fragen kann man nicht weiter fragen. Hier erfährt man wirklich etwas über die Absicht des Kindes.

„Warum bist du schon wieder mit den schmutzigen Schuhen in die Wohnung gegangen?“

Dies ist eine pure Anklage, der Mutter scheint der Grund egal zu sein.

„Wozu hast du die Schuhe angelassen, als du in die Wohnung kamst?“

Das Kind könnte jetzt sagen „Ich wollte ganz schnell mein neues Auto holen und hab´s vergessen!“, oder „Ich hatte Angst, draußen war ein so unheimlicher Mann!“.

Ich frage nach dem Wutanfall auch „Was hat dich so wütend gemacht?“ und „Wozu hast du das Hauen gebraucht?“.

Ja, ich weiß Kleinkinder sind in dieser Hinsicht nicht wirklich gesprächig. Doch jedesmal wenn ich solche Fragen stelle, tut sich im Gehirn meines Sohnes etwas. Anfangs wird er damit nichts anfangen können, dann beantwortet er sie vielleicht im Stillen, im Laufe der Zeit sagt er es mir und irgendwann wird er sich die Fragen selbst stellen. Er lernt sich selbst zu reflektieren.

Als Selbstreflexion bezeichnet man die Fähigkeit des Menschen, über die eigene Situation nachzudenken.

Menschen die sich selbst reflektieren, wissen über ihre Stärken, Schwächen, Vorlieben und Eigenarten Bescheid. Sie wissen wann sie eine Pause brauchen und zwar schon vor dem „Burn out“.  Sie denken über ihre eigenen Anteile im Streit nach, anstatt allen andern die ganze Schuld zu geben. Sie können bessere Entscheidungen treffen, weil sie sich ja bewusst gemacht haben, was sie glücklich macht und wohin sie im Leben wollen. Diese Menschen sind sich selbst bewusst, also auch selbstbewusster.

„»Hat jemand von Ihnen den Jungen gefragt, worüber oder über wen er wütend ist?« Alle guckten mich erstaunt an, versenkten sich weiterhin in ihre Berichte und schüttelten ungläubig den Kopf. Niemand hatte diesen Pädagogen je die selbstverständlichste aller Fragen gestellt.“

Zitat aus dem Buch Aggression von Jesper Juul

Jesper Juul hat zu diesem Thema ein geniales Buch geschrieben:
Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist
(Werbung – Wenn ihr über diesen Amazon-Link bestellt,  unterstützt ihr damit meinen Blog. Euch entstehen dabei keine Extra-Kosten!)

Das macht Mami traurig.

Bitte sagt zu eurem Kind nicht, dass es euch traurig macht, wenn es euch in einem Wutanfall schlägt. Das Kind kann noch gar nicht zwischen sich und seinen Taten unterscheiden. Für das Kind bedeutet diese Aussage, dass seine Existenz die Mama traurig macht. Das kränkt euer Kind so sehr.

Ja, es tut mir körperlich vielleicht weh, wenn mich mein Kind haut. Doch ICH bin die Erwachsene, ich bin meinem Kind körperlich deutlich überlegen und kann mich schützen, ich muss mich nicht hauen lassen.

ICH BIN NICHT DAS OPFER!

Traurig machen mich einzig und alleine MEINE Gedanken zum Hauen meines Kindes! Ich denke mir Dinge wie: mein Kind liebt mich nicht, es hat kein Gefühl für mich, es schätzt mich nicht, …

Ich will nicht, dass du mich haust!

Natürlich sage ich meinem Kind „Ich will nicht, dass du mich haust, weil es mir weh tut“. Ein authentisches „AU“ in der Situation reicht meist vollkommen. Die meisten Kinder wissen, dass wir das nicht mögen. Es passiert eben im Affekt und infolge der „Wutüberflutung“. Ich nehme dies nicht persönlich, oder mache mir Horrorvisionen für die Zukunft, in denen mich mein 16-jähriges Kind noch ins Gesicht schlägt. Kinder müssen erst lernen die Wut umzuleiten. Es ist ein Prozess und geht nicht vom einen auf den nächsten Tag. Kinder werden als Erwachsene nur gewalttätig, wenn sie selbst von ihren Elter körperliche Gewalt erfahren haben, oder heftig und anhaltend mit Worten verletzt wurden.

Das kann ich für mich tun.

Ich kann über mich selbst reflektieren und mir folgende Fragen stellen:

  • Was ist mein Anteil an diesem Konflikt?
  • Habe ich die Integrität meines Kindes davor verletzt?
  • Was macht es mit mir, wenn mich mein Kind haut?
  • Haben meine Gedanken wirklich etwas mit der jetzigen Situation zu tun?
  • Was habe ich in meiner Kindheit erlebt, das mich daran erinnert und mich jetzt so verletzt?

Achtsamkeit in stressigen Situationen

Ich rufe mir in Erinnerung, dass ICH die Erwachsene bin und dass mein Kind in diesem Moment nur MICH hat. Es kann nicht zu einem Freund gehen um sich bei ihm aussprechen, es kann seine Sachen nicht packen und zum Sport gehen um sich abzureagieren.

Wenn es mich wütend macht, dass mich mein Kind haut, gehe ich aus der Situation raus. Ich sage ihm, dass ich mir ein Glas Wasser hole. Diese Pause nutze ich, um wieder ruhig zu werden. Ich konzentriere mich ganz auf mich, auf den Boden unter meinen Füßen, ich spüre meinen Körper. Ich höre das Wasser, welches aus dem Hahn läuft, ich schmecke das Wasser in meinem Mund. Ich atme bewusst langsam.

Mein Kind braucht mich als Ruhepol, wenn in ihm ein Orkan tobt.

Nehmen wir das Hauen unserer Kinder doch weniger persönlich. Dieses „handgreiflich werden“ ist nur ein Ausdruck ihrer Gefühle.

Lasst uns mehr Energie darauf verwenden, die innere Welt unserer Kinder kennen zu lernen!

Wenn euch euer Kind aus heiterem Himmel haut, ist dieser Artikel hilfreich: Mein Kind tut mir aus heiterem Himmel weh.

Wünschst du dir Begleitung? Ich bin gerne für dich da!

Ich wünsche euch sonnige Tage und alles Liebe

Andrea

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Kategorie: Konflikte lösen

von

Ich bin eine (meist) glückliche Mama eines Sohnes. Kaffee und Kuchen, die innere Welt der Kinder, sowie THE WORK sind meine Leidenschaften. Mein Herz schlägt für eine gleichwürdige Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Ich mag dabei helfen, dass ihr euch mit eurem kleinen Menschen wieder verbinden könnt!