Konfrontationen leben
Wir gehen oft Konfrontationen mit unseren Kindern aus dem Weg, zum Beispiel wenn unser Kind am Morgen trödelt. Weil es uns meist unangenehm ist, wenn keine Harmonie zwischen uns herrscht.
Wir versuchen die Konfrontation mit raffinierten Tricks zu umgehen oder sagen ein widerwilliges „Ja“.
Doch so sind wir für unser Kind nicht greifbar. Unsere Bedürfnisse und Wünsche bleiben dem Kind verborgen, wir sind sozusagen unsichtbar für unser Kind. Wenn wir nicht authentisch sind, kann keine Beziehung zu unserem Kind entstehen. Das gilt übrigens auch für Paarbeziehungen!
Konfrontation bedeutet Nähe
Konfrontation bedeutet nicht, dass wir uns lauthals anschreien. Sondern lediglich, dass mein Kind etwas anderes will als ich. Und jeder von uns spricht es laut aus.
Ich überlege mir also was ich will und spreche es aus.
Keine Tricks,
kein doppelter Boden,
nur die pure Wahrheit
Für unsere Beziehung zum Kind ist es in keinster Weise förderlich, wenn wir jetzt ein Ablenkungsmanöver starten.
„Wenn du jetzt brav bist, kauf ich dir ein Eis!“, „Wenn du jetzt deine Zähne putzt, lese ich dir nachher eine Geschichte vor!“, „Wenn du deine Hausaufgaben machst, darfst du dann fernsehen!“.
Klar können wir unseren Kindern Eis kaufen, ihnen Geschichten vorlesen, sie einen Film schauen lassen, aber sie nicht damit erpressen. Abgesehen von dem absolut erniedrigenden Dressurversuch, sendet eine Erpressung folgende Botschaft:
„Ich habe dich in der Hand. Du musst so sein wie ich dich haben will, sonst kriegst du weder Liebe noch sonst was.“
Es scheint zwar so, als würde es gut „funktionieren“ doch auf lange Sicht lernt das Kind daraus, zu manipulieren und verliert seinen Selbstwert. So geben wir ein wirklich schlechtes Vorbild ab!
Lösungen suchen – miteinander statt gegeneinander
In den meisten Fällen können wir eine Lösung finden, die für den kleinen Menschen und auch für uns passen. Oft haben wir ein Brett vor dem Kopf und können nicht sehen, dass es so viele Möglichkeiten gibt.
NEIN, wir müssen nicht gegen unser Kind kämpfen! Wir können das dahinter liegende Bedürfnis herausfinden und es anderweitig erfüllen.
„NEIN !!! ICH WILL MEINE SCHUHE NICHT ANZIEHEN!!“
protestiert das Kind.
Wenn wir im Konflikt gefangen sind, haben wir nur drei Möglichkeiten:
- „Du ziehst jetzt sofort die Schuhe an sonst …. “ (Kampf)
- „Na gut, du hast es so gewollt, ich gehe ohne dich! Tschüss!“ (Flucht)
- „Wegen dir verpassen wir jetzt den Termin, ich bin so enttäuscht von dir!“ (Opfer sein – tot stellen).
Doch wenn wir aus dem Konflikt aussteigen und mit dem Kind in Beziehung treten, eröffnet sich plötzlich eine wahre Fülle von Möglichkeiten!
- „Puh, ich bin gerade so ungeduldig, weil mir dieser Termin so wichtig ist. Kann ich dich tragen, damit wir pünktlich kommen? Deine Schuhe gebe ich in meine Tasche.“
- „Magst du mir erzählen, weshalb du nicht mitgehen magst? Wie kann ich es dir leichter machen, mitzukommen?“
- „Ok, dann nehme ich die Schuhe mit nach draußen, sag Bescheid wenn du sie anziehen magst.“
- „Wolltest du noch fertig spielen? Magst du deine Puppen noch ins Bett bringen und gehen wir dann los?“
- „Kannst du mir sagen, wozu du es brauchst barfuß zu sein?“
- „Willst du die anderen Schuhe anziehen?“
- „Soll ich dir beim Anziehen der Schuhe helfen?“
- „Ist vielleicht ein Stein im Schuh? Magst du ihn deshalb nicht anziehen?“
- „Findest du es blöd, dass wir jetzt schon gehen? Hilft es dir wenn ich dich ein Stück trage?“
- „Habe ich dich vorhin gekränkt, magst du dir deshalb die Schuhe nicht anziehen?“
- „Ich geh schnell aufs Klo, magst du dir die Schuhe in der Zwischenzeit anziehen?“
- „Stimmt, heute ist es so warm draußen, ich gehe auch barfuß!“
- „Ich sehe du magst wirklich nicht raus gehen, wollen wir heute zuhause bleiben?“
- „Magst du bei Papa zuhause bleiben, während ich zum Termin gehe?“
- „Du willst noch weiterspielen? Sollen wir aus dem Anziehen ein Spiel machen? Jaaa stimmt, die Schuhe gehören doch nicht auf die Füße, hier auf die Hände muss man sie anziehen! (ein Blödelspiel anfangen – das Kind ruft dann immer „Verkehrt“ wenn man sie falsch anzieht).
- „Drücken dich die Schuhe etwa, vielleicht sind sie dir schon zu klein!
- usw.
Zeit geben
Kinder brauchen Zeit um „Ja“ sagen zu können. Wenn wir ihnen keine Zeit lassen, können sie nur „Jawohl“ sagen und müssen ihre persönliche Integrität aufgeben.
Unsere Kinder sind so bemüht mit uns zusammen zu arbeiten, es kränkt sie, wenn wir denken, wir müssten sie dazu zwingen. In ihrer inneren Welt geht es nicht darum Zähne zu putzen, sich die Schuhe anzuziehen, usw. sondern, dass ihre Liebe zu uns (durch unser Misstrauen) in Frage gestellt wird!
„Wenn also die Eltern den Kinder Zeit lassen können, lassen sich viele sinnlose und kraftraubende Konflikte vermeiden, benutzen sie dagegen die Zeit als Trick, um ihren Willen durchzusetzen, dann funktioniert es nicht. Kinder sind in diesem Punkt genau wie Erwachsene: Wir wollen, wenn irgend möglich, gern kooperieren, aber wie haben es nicht gern, wenn wir durch Manipulation dazu gebracht werden.“ Zitat aus dem Buch „Grenzen, Nähe, Respekt“ von Jesper Juul
In meinem Artikel „Konflikte mit nur 3 Zutaten lösen“ könnt mehr darüber nachlesen.
Beispiel (Wenn das Kind trödelt):
Die Mutter streicht in der Küche das Pausenbrot für ihren Sohn, welcher in seinem Zimmer Lego spielt. Sie sieht auf die Uhr und ruft ihm gestresst zu: „Leon, jetzt zieh dich endlich an, wir kommen sonst schon wieder zu spät in den Kindergarten!“
Leon hat altersbedingt noch kein Zeitverständnis, er versteht den Unmut seiner Mama nicht. Er weiß nicht was er falsch gemacht hat, er spielt doch nur Lego! Wenn die Mutter jetzt ihre „Bitte“ wiederholt, baut sich in ihm ein Widerstand auf. Jetzt spielt er erst recht weiter, um seine Unstimmigkeiten in ihm nach außen zu tragen, um besser damit klar zu kommen. Er ruft so unbewusst seine eigenen Gefühle in der Mutter hervor. Hilflosigkeit, Wut,… Die „kindliche Rache“ ist wie einen Hilferuf: „Mama, mir geht´s in diesem Moment nicht gut, hilf mir bitte!“
Achtsamkeit und Respekt
Die Mutter streicht gerade in der Küche das Pausenbrot für ihren Sohn, welcher in seinem Zimmer Lego spielt. Sie sieht auf die Uhr und packt schnell das Pausenbrot in den Kindergartenrucksack. Anschließend geht sie zu Leon ins Zimmer und setzt sich zu ihm auf den Boden.
Die Mutter blickt ihrem Sohn freundlich in die Augen und sagt: „Leon, ich hab die Zeit übersehen, ich will sofort losgehen! Können wir Zusammenarbeiten, damit wir pünktlich im Kindergarten ankommen?“. Leon sagt: „Ich will aber noch den Turm fertig bauen!“. Die Mutter nickt und wartet. Nach 5 Minuten ist der Turm gebaut – Er zieht sich an.
Leon fühlt sich respektiert, gehört und fühlt sich seiner Mutter zugehörig. Die Mutter zweifelt nicht an, dass er mit ihr zusammenarbeiten will. Sie schweigt, wartet und vertraut. Das Kind muss keine kindliche Rache anwenden, um seine Gefühle deutlich zu machen.
Zusammenfassung:
- Auf Augenhöhe gehen und nicht von oben herab sprechen
- Blickkontakt und nicht von einem ins nächste Zimmer brüllen
- In der Ich-Form und ohne Vorwürfe, sondern freundlich sagen was ich will
- Die Bedürfnisse vom Kind berücksichtigen
- Warten und Schweigen
- Vertrauen, dass mein Kind mit mir zusammenarbeiten will
Ursachensuche – Morgendliches Trödeln
Wenn Kinder morgens oft trödeln schlage ich vor, genauer in die innere Welt des Kindes zu schauen, sowie sich selbst zu reflektieren. Unsere Kinder sind so schlau und erfüllen sich mit der Strategie „trödeln“ eines ihrer Bedürfnisse.
- Wie geht es meinem Kind im Kindergarten? Gibt es dort ungelöste Konflikte?
- Verbringt mein Kind nach dem Kindergarten genug authentische Zeit mit mir? Braucht es mehr Kontakt zu mir?
- Hat mein Kind zu viele Termine und fehlt ihm deshalb freie Spielzeit?
- Bin ich zu sehr gestresst, sodass mein Kind mich unbewusst an mehr Achtsamkeit erinnert?
- Bin ich in Beziehung mit meinem Kind, oder funktioniere ich nur? Sucht mein Kind mit seinem „trödeln“ meine authentischen Gefühle und Gedanken?
- usw.
Unsere Kinder machen nie etwas ohne Grund, es steckt immer ein menschliches Bedürfnis dahinter. Lasst es uns herausfinden!
Alles Liebe
Andrea
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