„Keiner unterstützt mich.“
„Immer gibt es Streit.“
„Dauernd muss es nur um die anderen gehen. „
„Nie habe ich meine Ruhe!“
„Keiner hört mir zu.“
Es gibt so Tage, da wollen wir einfach unsere Sachen packen und abhauen. Alles liegen und stehen lassen um der Alltags-Hölle zu entfliehen. Einfach nur weg…
In meiner Fantasie relaxe ich dann in einer Hängematte am menschenleeren Strand. Ich höre das sanfte Rauschen der Wellen. Möwen kreisen schwerelos über dem Meer. Eine warme Brise streichelt über mein Haar, ich atme die wunderbare Meeresluft tief ein und spüre mich endlich wieder.
Wenn ich vom Meer vor mich hin fantasiere, entspannt sich zuerst mein Nacken, dann flutet eine warme Entspannungswelle meinen ganzen Körper. Mein Atem wird ruhiger und tiefer. Alleine von ein paar Meeres-Gedanken kann sich mein Körper entspannen. Obwohl die Außensituation dieselbe bleibt. Spannend!
Selektive Wahrnehmung
Um von der Informations-Flut der Welt nicht völlig überschwemmt zu werden, nehmen wir selektiv wahr. Das ist eine sinnvolle Funktion unseres Körpers. Wir sehen also sozusagen das, was wir wahrnehmen wollen.
Mein Liebster, mein Herzensglückskind und ich schlendern abends durch die Stadt. Ein verliebtes Pärchen kommt uns entgegen. Mir fällt sofort auf, dass der Mann der Frau zärtlich durchs Haar streicht und sie ganz verliebt ansieht. Ich erinnere mich daran, als sich mein Liebster und ich vor 12 Jahren kennen lernten. Ich spüre ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch. Da bleibe ich stehen und küsse meinen Liebsten zärtlich.
Mein Mann drückt mich fest an sich und streicht mir übers Haar. Ich liebe diese innigen Momente! Wir gehen ein Stück weiter, mein Sohn sagt: „Mama, der Mann vorhin, hatte auf seiner Tasche einen Tyrannosaurus drauf, der genau so aussieht wie meiner.“ Er freut sich über seine Entdeckung und schmiedet Pläne für sein Dinospiel zuhause.
„Die Frau vorhin hatte ein Eis in der Hand, ich glaube der Eisladen hat endlich wieder geöffnet. Holen wir uns auch eins?“, fragt mein Mann freudig.
Das gleiche Paar. Und wir haben alle drei etwas anderes gesehen.
Erwartungen beeinflussen, was wir wahrnehmen
Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass Menschen trotz starker Reize einen anderen Bereich fokussieren, weil dieser mehr ihren Erwartungen entspricht.
US-Wissenschaftler zeigten Probanden ein Video mit der Anweisung, den Ballwechsel zwischen den Team-Mitgliedern zu zählen. Die Probanden konnten die Zahl der Pässe nennen. Was den meisten entging, war ein Gorilla.
Ein als Gorilla verkleideter Mann tanzte durchs Bild. Doch die selektive Wahrnehmung der Betrachter machte sie blind für das Unerwartete. Erst wenn man sie darauf aufmerksam machte, sahen sie den Gorilla.
Wusstest du, dass das das Gehirn überflüssige Sachen ausblendet? So wie das zweite „das“ im vorigen Satz.
Diese Experimente und Einsichten finde ich faszinierend! Wir können das nämlich so genial für uns nutzen 🙂
Wie lernen wir, wieder klar zu sehen?
Da hilft Achtsamkeit, ein liebevolles Hinschauen in unsere innere Welt und der Blick auf die „Realität“. Es ist wie beim Gorilla-Video.
Achte auf den Gorilla!
Dann sieht man ihn auf einmal. Dann lösen sich die belastenden Glaubenssätze in Luft auf, wie zum Beispiel: „Nie, habe ich Zeit für mich!“ Hier habe ich schon mal über diesen unwahren Satz geschrieben.
Die Wörter „Nie, Immer, Dauernd usw.“ sind zuverlässige Signalwörter. An diesen können wir schnell erkennen, dass wir uns gerade aus der Realität rauskatapultieren.
Niemand macht etwas immer oder niemals!
Immer muss es nach dem Kopf meines Kindes gehen!
Ich stehe morgens schon unheil-erwartend auf. Natürlich gibt es – wie jeden Wochentag – eine Diskussion, weil mein Kind noch länger fernsehen will. Ich befürchte, dass er dann zu spät in den Kindergarten kommt und ich zu spät zur Arbeit. Das nervt mich voll.
Mein gesundes und liebevoll zubereitetes Frühstück verschmäht er und pocht auf sein Müsli.
Im Kindergarten angekommen, klammert er sich an mich und besteht darauf, dass ich länger bleibe. Meine Unrundigkeit steigt ins Unermessliche. Was die Situation nicht besser macht. Er spürt meine Anspannung und lässt mich nicht los.
Als ich ihn vom Kindergarten abhole, will er noch dortbleiben. „Du hast mich viel zu früh abgeholt!“ ruft er mir entrüstet entgegen. Pffft, nie kann man es recht machen…
Zuhause angekommen, will ich noch arbeiten, mein Sohn stört mich extra dabei. Grantig beginne ich mit ihm zu spielen. Weder mein Kind noch ich sind in diesem Moment glücklich.
Immer muss es nach dem Kopf meines Kindes gehen?
Das Wort „immer“ gibt mir das Zeichen, meinen belastenden Gedanken zu überprüfen. Ich beschließe den nächsten Tag achtsam und ohne Vorurteile zu verbringen. Ich wollte meine Wahrnehmung auf jene Momente fokussieren, wo „nach meinem Kopf“ geht.
Mein Herzensglückskind steht nach dem zweiten Weckerklingeln auf und sieht sich seine Lieblingssendung an. Er steht selbst auf und ich kann noch schlafen, wie cool.
Eine halbe Stunde später, ist es auch für mich Zeit das kuschelige Bett zu verlassen. Ich bereite das Frühstück zu. Er will noch 5 Minuten länger fernsehen. Wie durch ein Wunder schaltet er den Fernseher danach selbst ab. Ob das an meiner heutigen Entspanntheit liegt? Ich weiß, dass sich dieses Wunder wahrscheinlich nicht jeden Tag wiederholt, deshalb genieße ich es besonders. Zum Frühstück will er dann doch lieber Müsli, was ja eigentlich auch gesund ist.
Auf dem Weg in den Kindergarten hören wir im Auto meine Lieblingsmusik. Mein Schatz wippt dazu rhythmisch mit dem Kopf. Beschwingt kutschiere ich uns durch die Straßen. Wieder geht´s nach meinem Kopf.
Dort angekommen wünscht er sich, dass ich noch dableibe und ihn ganz fest drücke. Ich will ihn auch drücken. Ich liebe es, wenn er seine Ärmchen um mich schlingt. Nach einiger Zeit lässt er mich los und wendet sich den anderen Kindern zu. Er dreht sich kurz um, wirft mir eine Kusshand zu und weg ist er.
Ich schaue auf die Uhr und stelle erleichtert fest, dass ich voraussichtlich pünktlich bei der Arbeit ankomme. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich in einem Jahr nur ein einziges Mal wegen meinem Kind zu spät dran gewesen. Alles läuft wunderbar 🙂
„Mama, ich will noch bleiben.“ tönt es mir entgegen, als ich mein Herzensglückskind abholen komme. Ich bleibe ganz bei mir und stelle fest, dass es für mich ok ist, noch zu warten. Es stellt sich heraus, dass er lediglich sein Puzzle fertigbauen will.
Zuhause mag er mit mir spielen. Durch mein achtsames Hinschauen, sah ich, wie oft mein Sohn kooperierte. Ich lasse meine Arbeit liegen, weil ich ihm jetzt auch was schenken will.
Es macht echt einen fetten Unterschied, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf richte, wo es „nach meinem Kopf geht“.
Mir geht es nicht darum das Leben schön zu reden. Sondern darum, die Einengung unserer Wahrnehmung zu sehen und sie aufzulösen. Oft verändert diese Fokusverschiebung auch das Verhalten der Menschen um uns.
Gefühle aus der Vergangenheit
Wieso engen wir unsere Wahrnehmung so ein? Oft liegt es an tief eingebrannten Glaubenssätzen aus unserer Kindheit. Dieser daraus folgende „Wiederholungszwang“ ist eine große Chance für die Heilung unserer Kindheitswunden und bereicherndes persönliches Wachstum. Nehmen wir dieses Geschenk an!
Das Wort „Zeitreisegefühl“ finde so treffend. Wenn jemand zum Beispiel oft denkt: „Immer muss es nach den anderen gehen.“ und er sich deshalb traurig und hilflos fühlt, dann hat dies oft gar nichts mit der gegenwärtigen Situation zu tun.
Vielmehr ist es ein Zeitreisegefühl, welches aus der Kindheit kommt. Dieser Mensch hat sich in seiner Kindheit vielleicht sehr verbiegen müssen, um geliebt zu werden. Vielleicht musste er seine eigenen Bedürfnisse sehr oft zurückstellen. Wahrscheinlich wurde dieser Mensch abgewiesen, wenn er seine Wünsche äußerte. Dies macht traurig und hilflos.
In der Gegenwart sind jene Menschen ganz auf die (in der Kindheit erlebten) Dinge fokussiert. Sie engen ihre Wahrnehmung darauf ein. Sie erleben die Gegenwart so, als wären sie noch ein Kind und reagieren mit den ihnen damals zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen.
Mach doch was du willst
Wenn wir den Glaubenssatz „Meine Bedürfnisse sind unwichtig.“ in uns tragen. Dann könnten wir zu einem unwilliges Nachgeben neigen. „Mach doch was du willst!“ Das verwirrt unser Kind so sehr. Denn es hört ein „Ja“ und spürt deutlich ein „Nein“.
Dieses kindliches Verhalten hat uns damals in der Kindheit geholfen unser Gesicht zu wahren. Heute ist diese Strategie jedoch nicht mehr nötig. Wir sind nicht mehr abhängig. Wir können Lösungen finden, welche für uns und das Kind passen.
Zahn um Zahn
Wenn wir den Glaubenssatz „Niemand unterstützt mich.“ leben, könnte die kindliche Bewältigungsstrategie sein, dass wir uns zurückziehen. Und aufhören in Beziehung mit unserem Kind zu sein. Sozusagen ein „Wie du mir, so ich dir.“ Wir denken, dass es fair ist, wenn wir im Gegenzug auch nix mehr für unser Kind tun.
Wir nehmen also Rache. Ich denke, Rache ist lediglich ein Schrei nach Einfühlung. Hier habe ich darüber geschrieben.
Als wir Kinder waren, konnten wir unseren Schmerz nicht anders ausdrücken. Wir nahmen Rache, in der unbewussten Hoffnung, Einfühlung zu bekommen.
In der Gegenwart jedoch, können wir uns bewusst um uns selbst kümmern. Wir sind nicht mehr abhängig von anderen, wie in unserer Kindheit. Wir sind in der Lage uns selbst Empathie schenken. Wir können in uns schauen, welche Bedürfnisse gerade hungern. Und sie dann stillen.
Nix passt dir!
Wenn ich den anderen oft vorwerfe: „Nie passt es, was ich für dich mache.“ Könnte das ein Hinweis auf den inneren Glaubenssatz „Alles was ich mache ist falsch.“ sein, welcher in der Folge ein fieses „Ich bin nicht genug.“ in uns wachsen lässt.
Ich könnte mir selbst helfen und meine Aufmerksamkeit bewusst auf die Dinge leiten, die ich (für mich) „richtig“ mache. Achtsam darauf schauen, was wir täglich schaffen. Im Grunde ist es das, was wir uns von den anderen wünschen: Ein Sich-selbst-Wertschätzen. Wie sollen es die anderen tun, wenn wir es nicht mal selbst können?
Ich bin der Depp für alles
Wenn ich meiner Familie vorwerfe, dass ich ihnen ständig alles hinterherräumen muss, könnte dass ein Hinweis auf die folgenden Glaubenssätze sein: „Ich muss was leisten, um geliebt zu werden.“, „Ich bin auf mich alleine gestellt.“ oder „Meine Bedürfnisse sind anderen egal.“, sein.
Keiner von diesen Glaubenssätzen ist wahr. Versprochen. „The Work“ von Byron Katie ist eine augenöffnende Methode um unwahre Gedanken zu entlarven. Für mich ist es so befreiend, dass keiner von meinen belastenden Gedanken wahr ist! In meinem Artikel: Dein Kind ist für keines, deiner Gefühle verantwortlich! kannst du mehr darüber lesen.
Auch in diesem Fall kann ich bewusst meinen Fokus auf Momente leiten, in denen das Gegenteil der Aussage im Glaubenssatz zutrifft. Zum Beispiel „Ich bin auf mich alleine gestellt.“ Wenn man kein völliger Selbstversorger am Ende der Welt ist, kann dieser Glaubenssatz schon mal nicht wahr sein. Ich könnte achtsam nachschauen, wo Menschen mich unterstützten. Sogar der Boden auf dem ich stehe, unterstützt mich, er trägt mich.
Ich finde das so genial: Wir können unser Bild von der Welt, nur durch Achtsamkeit völlig verändern. Wir können unsere Gedanken auf den Wahrheitsgehalt überprüfen. Wir können uns liebevoll um uns selbst kümmern. Nö, wir sind der Welt nicht hilflos ausgeliefert. Wir haben es in der Hand. Machen wir was draus!
Alles Liebe
Andrea
Hast du die Verbindung zu deinem Kind verloren? Ich bin gerne für dich da!
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